Sztamtysz tłumaczy / Übersetzerstammtisch
Der Berliner Stammtisch für die Übersetzer deutschsprachiger und polnischer Literatur
Im Zentrum unserer monatlichen Werkstattarbeit steht die Diskussion über einen Übersetzungstext, an dem eine Übersetzerin oder ein Übersetzer aktuell arbeitet. Die Texte kursieren vorab, damit sich jeder in Ruhe vorbereiten kann. In der Textdiskussion geht das Gespräch meist über die einfache Fehleranalyse hinaus. Die konkreten Beispiele sind oft der Ausgangspunkt für Diskussionen über die semantischen, syntaktischen und stilistischen Unterschiede und Ähnlichkeiten in den beiden Sprachen. Es wird über die strukturellen und poetologischen Voraussetzungen des jeweiligen Textes gesprochen und über die daraus resultierenden strategischen Lösungsansätze gemeinsam nachgedacht. In der Diskussion kommt es zu produktiven Reibungen, die dabei helfen, den eigenen Ansatz zu revidieren und die Übersetzungsarbeit zu professionalisieren. Eine kritische Selbstüberprüfung und Distanz zur eigenen Praxis gelingt dann, wenn man freundschaftlich und respektvoll miteinander umgeht, sich den Texten mit Ernsthaftigkeit, Leidenschaft und … Sinn für Humor nähert. Es entsteht eine „dritte Qualität“, eine Kristallisation von Ideen, auf die man allein nicht gekommen wäre.
Mittlerweile bekommen um die 80 Übersetzerinnen und Übersetzer die Einladungen zum Stammtisch und andere Informationen rund ums literarische Übersetzen in Berlin (Interessierte können sich mit einer Mail auf die Mailingsliste setzen lassen). In der Regel kommt eine Gruppe von einigen Personen zusammen. Freude und Unterhaltung kommen bei unseren Treffen übrigens nicht zu kurz – wir lachen sehr viel.
Für gegenseitigen Austausch von Erfahrungen, Informationen, Wissen haben sich außer der Werkstattarbeit auch Vortragsabende und Lesungen bewährt. Wir treffen uns freitags, damit Nicht-Berliner Übersetzer uns besuchen und an unseren Gesprächen teilnehmen können. Es war zu Gast bei uns Nina Klein, Leiterin des ehemaligen Buchinformationszentrums in Warschau, die inspiriert von unserem Übersetzerstammtisch eine Reihe von Lesungen mit Übersetzern in Warschau initiierte und organisierte. Es besuchte uns Beata Stasińska, Verlegerin und Lektorin (Verlag W.A.B), die uns nicht nur über die Zusammenarbeit ihres Verlagshauses mit Übersetzern berichtete, sondern sich auch an unserer Textarbeit beteiligte. Aus Battonya (Ungarn) kam Esther Kinsky, Übersetzerin u.a. von Olga Tokarczuk, Zygmunt Haupt, Magdalena Tulli und Autorin von Prosa und Lyrik (Sommerfrische, Banatsko). Doreen Daume, Übersetzerin u.a. von Czesław Miłosz, Mariusz Grzebalski, Piotr Sommer, kam aus Wien und stellte ihre preisgekrönte Neuübersetzung von Bruno Schulz’ Die Zimtläden vor; Benjamin Voelkel sprach anschließend „Vom Umgang mit Schulz’ Demiurgie. Doreen Daumes Strategie der Übersetzung“. Aus dem Berliner Süden, vom Literarischen Colloquium Berlin am Wannsee kam Jürgen Jakob Becker, Programmleiter und stellvertretender Geschäftsleiter des LCB, und erzählte uns an einem Abend über die vielfältigen Fortbildungsmöglichen und das Stipendienprogramm für deutsche Literaturübersetzer, die der Deutsche Übersetzerfonds (dessen Geschäftsführer er ist) anbietet.
Im Laufe der Jahre wurden Übersetzungen besprochen u.a. von
- Alicja Rosenau (Saša Stanišić Wie der Soldat das Grammofon repariert)
- Anna Gamroth (Mirjam Pressler Bitterschokolade; Paul Maar Eine Woche voller Samstage)
- Renate Schmidgall (Andrzej Stasiuk Fado), Lisa Palmes (Wojciech Jagielski Nocni wędrowcy)
- Michael Zgodzay (Bożena Keff-Umińska Utwór o Matce i Ojczyźnie)
- Arek Żychliński (Peter Sloterdijk Zorn und Zeit)
- Bernhard Hauptmann (Julia Hartwigs Gedichte)
- Karolina Kuszyk (Feridun Zaimoglu Liebesmale, scharlachrot)
- Andreas Volk (Magdalena Fertacz Trash story)
- Benjamin Voelkel (Piotr Paziński Pensjonat)
- Dorota Stroińska (Lutz Seilers Prosa und Lyrik, Christian Kracht Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten) …
Außerdem verglichen wir polnische Übersetzungen von Franz Kafkas Prozeß und Rainer Maria Rilkes Gedichten. Karolina Kuszyk hielt ein Referat über den Unterschied zwischen „Stilübersetzung und Übersetzungsstil“, Arek Żychliński drang in seinem Vortrag über „Die Scherben eines Gefäßes“ bis in die philosophische Dimension einer dekonstruktiven Übersetzungstheorie vor (am Beispiel der Texte von Jorge Luis Borges).
Dieser Text beruht auf einer gekürzten Version. Der gesamte Text von Dorota Stroińska kann auf der Seite des Goethe-Instituts nachgelesen werden.
© Goethe-Institut Warschau
Januar 2011, aktualisiert im März 2012
Interessierte können sich auf die Mailingliste des Sztamtyszs eintragen unter: dorota.stroinska(at)web.de