Neuer Diskussionskreis: Struna Światła. Obrazy literatury polskiej XX wieku / Die Saite des Lichts. Aufnahmen der polnischen Literatur im 20. Jahrhundert

Erstes Treffen: Czesław Miłosz (1911‒2004).
Ruinen, Realismus und Ideologie.

Die Reihe soll ihren ersten Zugang zu Themen und Bildstrukturen der polnischen Literatur im 20. Jahrhundert am Leitfaden des Schaffens von Czesław Miłosz gewinnen, eines an Grenzerfahrungen des Krieges und Exils teilhabenden Dichters, Essayisten, Übersetzers, Hochschullehrers und ‒ in diesen Eigenschaften ‒ Zeugen, Mitgestalters sowie Kritikers geschichtskultureller Umwandlungen seiner Zeit.

In dem am Charles Eliot Norton Chair of Poetry der Universität Harvard gehaltenen Vorlesungszyklus Das Zeugnis der Poesie (akademisches Jahr 1981/1982) wendet sich Czesław Miłosz rückblickend den Strategien zu, mit denen die vom Zweiten Weltkrieg gekennzeichneten polnischen Autoren ihre Dichtung aus einer zertrümmerten Welt der Wertesysteme und dem verstellt gebliebenen physischen Dasein zu erheben versuchten. Angesichts dieser Aufgabe, so Miłosz, erwiesen sich die vom 19. Jahrhundert geerbten Künstlervorstellungen als auch die von der europäischen Frühmoderne vorgeführten poetischen Formen und Bildlichkeiten als illusionär. Denn beide hätten sich im Verhältnis zu gesellschaftlichen Ordnungsideen definiert, die selber das Freiheitsverlangen eines Einzelnen missachtend von Täuschung ergriffen gewesen seien. Diese Überzeugung, zu Miłoszʹ eigener Schaffenszeit im Nazi-besetzten Warschau ausgereift, und in mehreren seiner späteren Texte vertreten, wird jedoch stets von der Möglichkeit einer positiven Bestimmung der Poesie mitbedingt: soll eine Dichtung in der Nachkriegszeit bestehen, so muss sie härter als je zuvor am Maßstab der Wirklichkeitserfassung gemessen werden und auf diesem Weg die eingesetzte Verfremdung zwischen dem Erfahrungsgehalt eines Künstlers und der seines Mitmenschen aufheben. Für die in Das Zeugnis der Poesie charakterisierten Autoren habe die Einlösung dieser Bedingung entweder eine Eingrenzung des poetologisch Äußerbaren auf eine Solidaritätsgeste mit den Sorgen und Alltagsbeschäftigungen des Anderen oder eine Entfernung des ideologisch Anfälligen aus dem dichterischen Wort durch das Wiederaufdecken der für die menschliche Lebenswelt fundamentalen Gegenstandsbezüge. Für Miłosz selbst, so die Ausgangsthese unserer Veranstaltung, muss die Poesie in erster Linie eine Disziplin in Benennung der im Geschichtslauf untergehenden, individuellen und prinzipiell unersetzbaren Existenz eines Menschen aufbringen.

In der Sitzung werden wir uns mit Hilfe ausgewählter Textauszüge den Fragen stellen, wie die entscheidenden Merkmale der oben genannten poetologischen Krise zu verstehen sind und welcher Realitätsbegriff für deren Überwindung in Miłoszʹ Werk vorausgesetzt wird. Es gilt auch zu fragen, inwiefern die Poesie von Miłosz die in seinen Prosatexten gestellte Aussicht auf Erneuerung des Dichterworts als Zeugnis des Untergegangenen bestimmt oder aber kritisch reflektiert. Dem ersten Teil des dreistündigen Treffens liegt eine der Harvard-Vortragsreihe entnommene Vorlesung Ruinen und Poesie zugrunde, dem zweiten der Vortrag Poetry Between East And West (die zweite Sitzungshälfte wird auf Englisch stattfinden).

Die Texte können im Vorfeld der Sitzung gerne verschickt werden (Anfrage bitte an: pawel.kaliszewski(at)fu-berlin.de).
Polnisch-Kenntnisse sind für die Teilnahme nicht erforderlich.

Als Einstieg in die zur Diskussion stehenden Fragen schlagen wir zwei Gedichtfragmente von Miłosz vor:

Kraina poezji

(…)
Z bólem na zawsze ta ziemia złączona
I tylko smutek jej bramy otwiera.

Jeżeliś klęski zaznał, dosięgł lat
Dojrzałych, patrząc na gruzy i zgliszcza,
I spustoszyła myśli twe jak wiatr
Litość najczystsza.

Jeżeliś nie chciał mówić odtąd nic,
Bo zapytałeś – po co, czy to warto
Straszliwy posąg, skamieniały krzyż
Ubierać farbą,

To wiedz, że ona blisko, żeś jest tuż.
I jeśli mówisz: żeganaj mi na wieki –
Witaj – odpowie echo z ziemskich puszcz,
Wstydliwa czułość obmyje powieki
I każde dawne pożegnania słowo
Jest jak świtania dalekiego wstążka,
Rosa o brzasku, czeremchy gałązka,
A gdyś opłakał ją – ona przed tobą.

Warszawa, 1942

Land der Poesie

(…)
Für immer bleibt Schmerz mit der Erde verbunden,
Ihre Tore nur erschlossen von Trauer.

Hast du mit Trümmern und Aschen vor Augen
das Scheitern gelebt, zur gereiften Zeit,
Und wehend nichtete deine Gedanken
Reinstes Mitleid.

Hast du die Worte ins Schweigen gestellt:
Ist noch der Sinn, ist das von Belangen,
Ein versteinertes Kreuz, das Schrecken des Reliefs
Farbig anzukleiden,

Dann wisse, sie naht, du kommst bald an.
Und wenn du sagst: sei mir verloren –
So antwortet tönend der Erdenwald,
Das Antlitz von zarter Scham beschworen.
Und jedes des Abschieds vergangene Lied
Ist wie des fernen Dämmerns Faden,
Wie Kirschenästchen, Tau am Grauen
Beweintest du sie – nun ist sie vor dir.

Warschau, 1942

Übers. v. Paweł Kaliszewski

Nie więcej

(…)
Gdybym ja mógł weneckie kurtyzany
Opisać, jak w podwórzu witką drażnią pawia
I z tkaniny jedwabnej, z perłowej przepaski
Wyłuskać ociężałe piersi, czerwonawą
Pręgę na brzuchu od zapięcia sukni,
Tak przynajmniej jak widział szyper galeonów
Przybyłych tego ranka z ładunkiem złota;
I gdybym równocześnie mógł ich biedne kości
Na cmentarzu, gdzie bramę liże tłuste morze,
Zamknąć w słowie mocniejszym niż ostatni grzebień
Który w próchnie pod płytą, sam, czeka na światło,

Tobym nie zwątpił.
(…)

Montgeron, 1957

No more

(…)
If only I could describe the courtesans of Venice
As in a loggia they teased a peacock with a twig.
And out of brocade, the pearls of their belt,
Set free heavy breasts and the reddish weal
Where the buttoned dress marked the belly,
As vividly as seen by the skipper of galleons
Who landed that morning with a cargo of gold;
And if I could find for their miserable bones
In a graveyard whose gates are licked by greasy water
A word more enduring than their last-used comb
That in the rot under tombstones, alone, awaits the light,

Then I wouldn’t doubt.
(…)

Montgeron, 1957

Transl. Anthony Miłosz

Mikołaj Golubiewski promoviert an der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für Literaturwissenschaftliche Studien zum Thema „A Magic Mountain“: The American Persona of Czesław Miłosz. Er ist Mitarbeiter der Stiftung Pogranicze in Sejny.

Paweł Kaliszewski studiert Philosophie an der Freien Universität Berlin. Er arbeitet zu Imaginationskonzepten des Mittelalters und der Renaissance beim Sonderforschungsbereich „Episteme in Bewegung. Wissenstransfer von der Alten Welt bis in die Frühe Neuzeit“.